Digital Guides go Europe
oder Wie Graz und Wiesbaden analog und digital zusammenwuchsen
Christine gediga
Digital Happiness für alle fördern, das ist die Devise der Digital Guides powered by BerufsWege in Wiesbaden.
Und wie das auch auf dem Lande gelingt, darüber tauschten wir uns ein Jahr lang digital über Video-Konferenzen und analog in Graz, Wiesbaden und Passau aus.
Wir, das sind nowa Graz (https://www.nowa.at/ueber-uns/) und BerufsWege für Frauen in Wiesbaden (https://www.berufswege-fuer-frauen.de/). Beide Vereine setzen sich für die Gleichstellung der Geschlechter ein. Wir sind überzeugt: Ob Frau, Mann oder nicht binär – alle sollen die gleichen Chancen auf Bildung, am Arbeitsmarkt, in der Wirtschaft und auch privat haben.
Digital Guides go Europe
Im Mai 2022 starteten wir unser Erasmus+ Projekt „Digital Guides go Europe“. Zusammen wollten wir innerhalb eines Jahres herausfinden, was es braucht, damit Ältere, die auf dem Land leben, sich im „digitalen Dschungel“ orientieren können, und ob nowa Teile der oder sogar die ganze Train the Trainer-Fortbildung „Digital Guides for Golden Agers“ von BerufsWege für Frauen als Angebot für sich und das steirische Land übernehmen kann.
Welche Infra-Struktur ist nötig? Denn auch in der Stadt sind nicht alle Haushalte und Einrichtungen mit W-Lan ausgestattet. Wie sieht das auf dem Land aus?
Wie erreichen wir die Menschen? Auf dem Land sind die Wege weiter. Wohin lohnt es sich für die älteren Menschen zu kommen?
Und wie passt das Konzept der Digital Guides for Golden Agers (https://www.berufswege-fuer-frauen.de/digital-guides-3/) zu den Kundinnen von nowa? Kann der Verein das Angebot „Lernbegleiterin für Ältere“ zu werden als Berufsbild übernehmen? Und wenn ja, welche Inhalte interessieren?
Digitale Lernbegleiterin noch kein existenz-sichernder Beruf
Während unserer Treffen fanden wir heraus, dass sich Österreich und Deutschland sowie der ländliche und urbane Raum in einer Herausforderung nicht sehr unterscheiden: die indirekte Zielgruppe der Digital Guides, die älteren Menschen zu erreichen. „Ein Lebens-Welt-Bezug zur für die zu lernende Technologie muss eindeutig erkennbar sein. Und eine vertrauensvolle Lern-Umgebung am besten gepaart mit Geselligkeit und kulinarischem Angebot sind fördernde Faktoren.“, erläutert Karin Siepmann, Team Digital Guides von BerufsWege für Frauen Wiesbaden ihre überraschendste Erfahrung im Projekt.
Eine weitere Erkenntnis war, dass die Digitale Lernbegleitung als ernährender Beruf noch viel Lobby-Arbeit braucht, sowohl in Deutschland als auch in Österreich. Derzeit sind die meisten Angebote für Hilfen bei Smartphone, Tablet, PC etc. ehrenamtlich organisiert oder werden – wie bei nowa – von Bildungs-Organisationen angeboten. Hier stellt sich auch für etablierte Vereine wie nowa die Herausforderung, dass oft nur Projekte finanziert werden. So ist es schwierig, Angebote zum sicheren Umgang mit der digitalen Welt für Ältere kontinuierlich und kostendeckend aufrechtzuerhalten.
Die „Digital Guides“ als Berufsbild für selbstständige Frauen ist für nowa keine Option, um Frauen existenz-sichernd auf dem Arbeitsmarkt zu etablieren. Daher wird es einen Kurs wie Digital Guides for Golden Agers von BerufsWege in Österreich bzw. der Steiermark erst mal nicht geben.
Trotzdem bleiben wir dran und geben den 44 Digital Guides, die BerufsWege in den letzten zwei Jahren ausgebildet hat viele Tipps mit. Um Kundschaft auf dem Land zu erreichen, ist es geschickt, die Dorf-Gaststätten zu kennen und einzubinden. Hier trifft sich die Dorf-Gemeinschaft, und hier können wir unsere Angebote bekannt machen und Kundschaft gewinnen. Und wenn es kein W-Lan vor Ort gibt, dann hilft ein W-Lan-Cube. Übrigens auch in Einrichtungen der Alten-Pflege.
Erasmus+ wirkt
https://digitalscouts.eu„Das Beste am Projekt fand ich, dass wir bereits im Verlauf des ersten Treffens mit nowa in Graz festgestellt haben, dass es ein weiteres Thema gibt, in dem wir uns gegenseitig wertvoll ergänzen: Wirkungs-Messung.“, sagt Karin Siepmann. „Daraus ist der Antrag für unser zweites gemeinsames Erasmus+ Projekt entstanden. Und der wurde bewilligt, so dass wir im Mai 2023 starten.“, freut sie sich.
„Auch in einem weiteren Projekt können wir die Erfahungen „unserer“ Digital Guides und unsere lessons learnt mit dem Curriculum hervorragend einbringen und europäisch weiterführen.“, ergänzt Karin Siepmann. „Ende 2022 sind wir in das Erasmus+ Kooperations-Projekt „Digital Guides – Enhancing the Digital Literacy and Participation in Europe“ als Partner mit eingestiegen.
Zusammen mit sechs weiteren Partnern aus fünf Ländern schauen wir, welche Konzepte in der Vergangenheit auf welche Weise gut funktioniert haben. Daraus erstellen wir niedrig-schwellige und online frei verfügbare Lern-Nuggets für Menschen, die sich fit machen wollen, um andere Menschen auf dem Weg zu mehr digitaler Kompetenz zu begleiten.
Ziel des Projektes ist es, ältere Menschen bei der Nutzung digitaler Anwendungen zu unterstützen und sie zu befähigen, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. So soll sich ihre Gesundheit und ihre soziale Teilhabe verbessern.“
Sieben Frauen – sieben Erfahrungen – ein Konsens
Technik ist kreativ und steirisches Schnitzel lecker
„Das Erasmus+-Projekt Digital Guides go Europe hat uns als Europäerinnen weiter zusammen wachsen lassen“, ist Christine Gediga, Team Digital Guides von BerufsWege für Frauen Wiesbaden überzeugt. „Wir haben gegenseitig mehr über unsere Arbeit und Kultur erfahren. Besonders spannend fand ich unsere Begegnungs-Aktivität zu „Gender und Technik“. Hier habe ich gelernt, dass wir in Titeln mehr Kreativität und weniger Technik formulieren müssen, um Mädchen auch für technische Angebote zu begeistern. Also lieber für einen App-Kurs schreien: ´Kreiere dein eigenes Spiel` als `Programmiere dein eigenes Spiel`.
Und apropos Kultur: Das steirische Schnitzel (mit Kürbis-Kernen paniert) ist nun fest in meinem Kochbuch etabliert.“
Von Fliegen-Pilz Ohrringen und dem großen Ganzen
„Mich hat am meisten die europäische Idee begeistert.“, freut sich Irina Wascheck, Coach bei BerufsWege für Frauen. „Und dass wir uns gegenseitig so toll ergänzt und viele Gemeinsamkeiten festgestellt haben – vor allem die Herausforderung mit der Finanzierung unserer Arbeit.
Ich fühle eine große Stärke, die aus dem Projekt entstanden ist. Und Spaß, der durch das Projekt kam und Lust auf mehr machte.
Besonders erinnern werde ich mich an die Shopping Karte, Fliegen-Pilz Ohrringe und sich bei gemeinsamen Essen besser kennenlernen – auch privat. Und dass daraus einiges Neues entstanden und geworden ist. Das ist für mich die Erfüllung der europäischen Idee.
Wir als BerufsWege für Frauen sind an dem Projekt gewachsen. Und die Idee, ein Teil eines großen Ganzen zu sein finde ich überwältigend. Das wird mich noch im Rollstuhl in 30 Jahren faszinieren – oder auf der Wolke.“
Europa wächst zusammen
„Besonders freut mich auch, dass sich aus den Begegnungs-Aktivitäten, bei denen wir regionale Stakeholder rund um die Digital Guides in beiden Ländern zum gegenseitigen Austausch miteinander verbunden haben, bei nowa eine weitere Idee für ein Erasmus+ Projekt entstanden ist: Die gute Stunde von HumaQ Wiesbaden in die Steiermark zu bringen.“
Dazu sagt auch Eva Bloder, nowa Graz: „Ich fand es super und sehr spannend, dass wir durch dieses Projekt direkt das Digital Guides-Kurs-Geschehen miterleben konnten. Es ist immer interessant zu sehen, wie andere Trainerinnen das Thema Digitalisierung für ältere Menschen aufbereiten. Das bringt neue Inputs und Ideen für eigene Kurse.“
„Durch unser erstes kleines Partnerschafts-Projekt mit Erasmus+ konnten wir uns als Einrichtung der Erwachsenen-Bildung super vernetzen.“, freut sich Valentina Pettinger von nowa über die Zusammenarbeit. „Wir haben mehrere andere Organisationen in der EU und deren Arbeit kennengelernt und haben schon 3 weitere Projekte eingereicht. Besonders freuen wir uns auf den Start unseres neuen Erasmus+ Projekts „Wirkungs-Analyse praktisch angewandt“ mit BerufsWege für Frauen“.
Erasmus+ macht süchtig
„2019 waren eine Kollegin und ich im Rahmen eines ESF-Projekts eineinhalb Tage zu einem transnationalen Austausch bei nowa in Graz.“, erinnert sich Yvonne Skowronek, Geschäfts-Leitung BerufsWege für Frauen daran, wie das Projekt Digital Guides in rural areas auf den Weg kam. „Uns war sofort klar, dass aus dieser interessanten Begegnung mehr werden muss. Es gab so viele Gemeinsamkeiten. Und so viel, was wir voneinander lernen konnten.
Und dann die tolle Nachricht, dass es in der neuen EU-Förder-Periode die kleinen Erasmus Partnerschaften geben würde. Damit trauten wir uns den Einstieg in europäische Projekte zu. Unbeschreiblich groß war die Freude, als die Zusage für unser gemeinsames „Digital Guide Projekt“ kam. Wir konnten da wieder anknüpfen, wo wir 2019 aufhören mussten. Wir sammelten auf beiden Seiten so viele neue und für die eigene Arbeit so wertvolle Erfahrungen.
Für mich überwiegt das Gefühl der Dankbarkeit, dass es diese europäischen Projekte gibt. Denn damit bietet die EU auch kleineren Trägern die Möglichkeit zur Weiterentwicklung im europäischen Kontext.
Und es macht definitiv süchtig! BerufsWege goes Europe! Das ist und bleibt meine Überzeugung für die nächsten Jahre, denn der Mehrwert ist einzigartig.“
Das letzte Abenteuer der Menschheit: Deutsche Bahn
Zumindest haben das Nina Hoffer und ihre Kolleginnen bei ihrem Besuch in Wiesbaden so erlebt:
„Was mir von unseren bisherigen Projekt-Treffen auf jeden Fall in Erinnerung bleiben wird, ist natürlich auch die Rückreise von Wiesbaden nach Graz – ganz im Sinne von: Der Weg ist das Ziel… oder doch nicht?
Da wir uns im Antrag ja auch der Nachhaltigkeit verschrieben hatten, war es uns ein Anliegen, für eine etwas weitere Strecke den Zug zu nehmen. Meine Kolleginnen waren auch noch nie mit dem Nachtzug unterwegs und fanden die Idee, direkt nach den Meetings noch am Abend – ohne weitere Übernachtung – nach Hause zu fahren, interessant. Wir hatten uns das ganz wildromantisch ausgemalt, noch ein letztes Abendessen in Frankfurt, ein paar Bier zur Feier des erfolgreichen Treffens und dann, angenehm müde und bereit für den Schlafwagen, um 1:17 Uhr nachts die Abfahrt. Da hatten wir allerdings die Rechnung ohne die Deutsche Bahn gemacht.
Als wir (angenehm satt und müde) am Bahnhof ankamen, war auf der Anzeige-Tafel für unseren Zug eine Verspätung von ca. zwei Stunden aufgeführt. Für einen Teil dieser Zeit fanden wir Unterschlupf in der „Bar Sternchen“ gegenüber vom Bahnhof. Als wir zurück kamen war die Verspätung schon auf über drei Stunden angewachsen. Alle Restaurants, Bars und Shops im und um den Bahnhof waren zu dem Zeitpunkt schon lang geschlossen. Also versuchten wir die Zeit mit „Zimmer, Küche, Kabinett“, Vorlesen von Weihnachts-Geschichten (es war ja November) und Logik-Rätseln totzuschlagen – was gar nicht so einfach war, schließlich waren wir selbst schon ganz erschlagen in einer kalten Bahnhofs-Halle ohne Sitz-Gelegenheiten.
Letztendlich kamen wir über fünf Stunden später als geplant in Graz an. Ohne ausreichend Schlaf, aber mit einem Erlebnis, das wir so schnell nicht vergessen werden.
Im Nachhinein liefert diese Erinnerung nun immer eine lustige Anekdote. Vor allem das Falco-Lied, das uns Österreicherinnen zur Ehre in der Bar gespielt wurde. Es ist eine Geschichte, die zu dem Zeitpunkt noch nicht lustig war, aber inzwischen schon für einige Lacher gesorgt hat.“
„Ja“, sagt Karin Siepmann, „Blöd, dass Graz doch leider nicht um die Ecke von Wiesbaden liegt, sonst wäre es eine wunderbare Stadt, in der man öfters mal ein paar Tage verbringen könnte.“