Zeit für finanzielle Selbstbestimmung
Dr. Birgit Happel
Frauen sind seit vielen Jahren Bildungsgewinnerinnen und ihre Anstrengungen schlagen sich endlich in beachtlichen Karrieren nieder. Doch die Entscheidung für ein Kind kann teuer werden. Frau Dr. Birgit Happel (Soziologin, Referentin, Coach) setzt sich engagiert für die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen, Stärkung und Professionalisierung der Finanziellen Bildung, soziale Gerechtigkeit und die Prävention von Frauenarmut ein.
Die eigenen Kinder aufwachsen zu sehen und sie ins Leben zu begleiten, ist etwas sehr Schönes!
Doch Achtung, die Entscheidung für ein Kind ist auch im Jahr 2022 mit Hürden verbunden. Vor allem kann sie teuer werden und Mütter bis zu zwei Drittel ihres Lebenserwerbseinkommens kosten. Das ist meist genau das Geld, das ihnen für die Aufrechterhaltung ihrer finanziellen Unabhängigkeit oder zum Aufbau einer veritablen Vermögensbiografie fehlt.
Die Bertelsmann Stiftung hat im Sommer 2020 Zahlen zu den Kosten von Mutterschaft herausgegeben. Die Studie Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Was es sie kostet, Mutter zu sein zeigt einmal mehr und auf erschreckende Weise, was es für Frauen in Deutschland bedeutet, ein Kind zu bekommen.
Der Lockdown wirkte wie ein Brennglas
Während der Zeit des Lockdowns fielen die alten Strukturen vielen Frauen schmerzlich vor die Füße. Die Corona-Krise zeigte wie unter einem Brennglas all die systemischen Zusammenhänge, die mit Sorgearbeit verbunden sind.
Während die einen den Lockdown nutzen konnten, um über größere Fragen des Lebens nachzudenken, war es für andere eine Zeit extremster Belastung, vor allem für Menschen in systemrelevanten Berufen und für Familien und Frauen mit Erziehungs- oder Pflegeverantwortung.
Mütter waren von heute auf morgen mit schließenden Betreuungseinrichtungen und der Tatsache konfrontiert, dass die Belange von Eltern und Familien zunächst unter dem Radar der politisch Verantwortlichen liefen. Dass sie und ihre Kinder in den Pandemiekonzepten einfach vergessen wurden.
Krisen und Auszeiten können jedoch auch Übergänge hin zu etwas Neuem sein. Zum Beispiel, um künftig neue Perspektiven einzunehmen und dafür einzustehen. Wer jedoch darauf gebaut hatte, dass wir auf einen echten Wandel zusteuern, wurde enttäuscht. Auch das Konjunkturpaket war kein großer Wurf für die Belange von Familien. Die Mitinitiatorin der Equal Care Day Bewegung, Almut Schnerring, kritisiert den Subtext des 300 Euro Familienbonbons in einem sehr lesenswerten Beitrag auf dem Corona & Care-Blog der Friedrich-Ebert-Stiftung: „Liebe Familien, kauft euch was Schönes, und dann lasst uns in Ruhe unsere richtige Arbeit machen, Care gehört nicht dazu“.
Diskriminierende Strukturen können nicht von Einzelnen allein verändert werden. Wenngleich die Gestaltung familienfreundlicher Berufs- und Karrierewege eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, ist nach über zehn Jahren Zusammenarbeit mit Wiedereinsteigerinnen mein liebgemeinter Rat: Gebt eure hart erkämpften Erfolge nicht preis und lasst euch nach Familienpausen nicht an den Rand des Spielfelds drängen, sondern behaltet euren beruflichen Weg immer im Auge! Und scheut euch nicht, eine faire Rollenverteilung in euren Partnerschaften einzufordern!
Werdet selbst aktiv, um eure wirtschaftliche Unabhängigkeit aufrechtzuerhalten!
So entgeht ihr den Fallen:
- Beschäftigt euch früh mit den großen Zusammenhängen von Lebens- und Finanzentscheidungen
- Betrachtet eure finanzielle Unabhängigkeit als hohes Gut
- Behaltet eure Berufsbiografie immer im Blick und verhandelt eure Gehälter gut
- Achtet auf faire Rollenverteilung und geht keine faulen Kompromisse ein
- Scheut euch nicht vor Aushandlungsprozessen – auf Dauer der beste Weg zum Beziehungsglück
- Lernt investieren und nehmt eure Finanzen in die eigene Hand
- Verhandelt Kompensationszahlungen für entgangenes Einkommen in eurer Partnerschaft
Ich wünsche mir gleiche Chancen für Frauen, Zukunftsperspektiven für Menschen im Niedriglohnsektor, mehr politische Bildung in Schulen und natürlich eine CARE-Revolution, vor allem Antworten auf die unsägliche Ökonomisierung des Pflege- und Gesundheitswesens.
Und last but not least: Wenn ihr Lust habt, euch selbst zu engagieren, um Strukturen zu verändern, schaut doch mal bei Equal Care Day, UN Women Deutschland, Initiative Familien oder bei der Mütterinitiative für starke Mütter und Alleinerziehende Mias vorbei! Denn #togetherwearestronger und wir brauchen jede Stimme, die sich einsetzt!
#finanzielleunabhängigkeit #gleichechancen #makeadifference #equalcare
(Dieser Artikel ist angelehnt an den Artikel auf meiner Homepage)
Referentin für Finanzbildung und Finanzielle Gleichstellung, Bankkauffrau, Soziologin, Coach. Vorstand im Präventionsnetzwerk Finanzkompetenz e.V. und Mitglied bei UN Women Deutschland.